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Medizinalcannabis Teil 2

Müssen sich Betroffene, denen Medizinalcannabis verschrieben wurde, einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) unterziehen?

Grundsätzlich kann die Fahrerlaubnisbehörde bei Zweifeln an der Fahreignung eine medizinisch-psychologische Begutachtung fordern. Wenn tatsächlich sachlich begründete Zweifel bestehen, ist das auch in Ordnung, da die Fahrerlaubnisbehörde die Aufgabe hat für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs zu sorgen und damit auch darauf zu achten hat, dass keine Personen ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führen, die dazu möglicherweise nicht geeignet sind. Es kommt in der Praxis aber auch vor, dass von Cannabispatienten nicht deshalb eine MPU gefordert wird, weil sachlich begründete, konkrete Zweifel an der Fahreignung vorliegen, sondern allein deshalb, weil sie in eine Polizeikontrolle gekommen sind, die Polizei die Fahrerlaubnisbehörde informiert hat und diese dann tätig geworden ist.

Deshalb stellt sich die Frage, ob Cannabispatienten auch ohne konkrete Auffälligkeiten rechtmäßig von der Fahrerlaubnisbehörde dazu aufgefordert werden dürfen, eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu durchlaufen. Aus der Praxis ist uns bekannt, dass die Sachbearbeiter:innen der Fahrerlaubnisbehörden teilweise fachlich überfordert sind und damit im Ergebnis keine richtigen Entscheidungen treffen. Es sollte deshalb bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Anordnung einer MPU immer das Gespräch mit der Fahrerlaubnisbehörde auf sachlicher Basis gesucht werden. Betroffene, die Cannabis auf Rezept verschrieben bekommen haben, müssen auch keine normale Drogen-MPU ablegen.

Nach Ziffer 9.6.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) ist nur dann ein Führerscheininhaber als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen anzusehen, wenn bei ihm „unter einer Dauerbehandlung von Arzneimitteln eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Fahrzeugen unter dem erforderlichen Maß“ vorliegt. Es muss in der MPU deshalb nur nachgewiesen werden, dass der Betroffene trotz der Einnahme von Medizinalcannabis in der Lage ist ein Kraftfahrzeug sicher im Straßenverkehr zu führen. Für diesen Nachweis ist grundlegend die ärztliche Verschreibung.

Leider kommt es aber immer wieder vor, dass die ärztlichen Verschreibungen nicht den fachlichen Anforderungen genügen. Ist das der Fall, so wird die MPU in der Regel schon deshalb scheitern.

Es gibt bereits einige Urteile, die grundlegende Voraussetzungen aufgestellt haben. Hierbei haben die Gerichte die Handlungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM) und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP) aus fachlicher Sicht berücksichtigt.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 29.4.2019 (Az.: 11 B 18.2482)

  1. Wird medizinischer Cannabis nicht entsprechend der ärztlichen Verordnung eingenommen, besteht nach Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV (juris: FEV 2010) keine Fahreignung.
  2. Im Falle des Beigebrauchs von illegalem Cannabis oder fahreignungsrelevantem Mischkonsum mit Alkohol besteht bei Cannabispatienten ebenfalls keine Fahreignung.
  3. Erfolgt die ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis erst nach einem Verstoß gegen das Trennungsgebot in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, hat die Fahrerlaubnisbehörde zu prüfen, ob durch die Verordnung die Fahreignungszweifel ausgeräumt sind. Ggf. sind entsprechende Aufklärungsmaßnahmen einzuleiten.

 

VGH München, Beschluss vom 16.01.2020 (Az.: 11 CS 19.1535)

  • Ein Fahrerlaubnisinhaber verliert seine Fahreignung durch einen über mehrere Monate anhaltenden, nicht ärztlich verordneten, regelmäßigen, d.h. nahezu täglichen Cannabiskonsum.
  • Wenn eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis im Sinne von Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV vorliegt, führt diese Dauereinnahme von Medizinal-Cannabis nur dann nicht zum Verlust der Fahreignung, wenn
  1. die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet ist,
  2. das Medizinal-Cannabis zuverlässig nur nach der ärztlichen Verordnung eingenommen wird,
  3. keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind,
  4. die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt,
  5. und nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird

Saarländisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 12. Februar (Az.: 2021 1 B 380/20)

Die Fahrerlaubnisbehörde ist berechtigt, im Falle einer Cannabismedikation nach einem ursprünglich missbräuchlichen Cannabiskonsum gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Abs. 2 FeV im Rahmen einer medizinischen-psychologischen Untersuchung klären zu lassen, ob die Fahreignung unter dieser Dauermedikation gegeben ist.

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