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Durchführung von Abstinenzkontrollen angesichts der COVID-19 Pandemie und damit verbundener Maßnahmen. Stand 23.03.2020

2. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie e.V. sowie des Ständigen Arbeitskreises Beurteilungskriterien – StAB 23.03.2020

Im Zuge von Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung durch die Ordnungsbehörden sowie von Arbeitgebern für ihre Angestellten kommt es bei den Anbietern von Abstinenzkontrollen sowie bei den Teilnehmern absehbar zu vermehrten Zeiten der unverschuldeten Nichtverfügbarkeit, die nicht unmittelbar durch eine Erkrankung bedingt sind (vgl. auch Stellungnahme vom 13.3.2020 zu den Entschuldigungsgründen). Auch die in CTU 1 (6) insbesondere Kontraindikator 6 geforderten Rahmenbedingungen für die unvorhersehbare Einbestellung sind bei ggf. erforderlichen Schließungen von Entnahmestellen nicht durchgehend einzuhalten.

6. Die Termine, die im Rahmen eines definierten Kontrollprogramms vergeben werden, sind unvorhersehbar.
Kontraindikatoren

(6) Die durchführende Stelle selbst ist im relevanten Kontrollzeitraum nur an einigen vorhersehbaren Wochentagen besetzt oder hat längere, dem Klienten bekannte Schließungsphasen, so dass Zeiträume absehbar sind, an denen keine Kontrollen durchgeführt werden können. Es wäre unangemessen, bei vorübergehenden Schließungen, die auf Schutzmaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie zurückzuführen sind, Abstinenzkontrollprogramme gänzlich abzubrechen oder die bis dorthin durchgeführten Kontrollen wegen dieser Abweichung von den CTU-Vorgaben mit der Folge größerer Nachweislücken als nicht verwertbar einzustufen. Der Zeitraum bis zur Bekanntgabe der Schließung der Entnahmestelle kann als Belegzeitraum gewertet werden. Eine Fortführung nach Aufhebung der Schließung ist grundsätzlich zu ermöglichen. Das Programm gilt für diese Zeit des Pandemie-Lockdowns als entschuldigt unterbrochen. Der betroffene Zeitraum ist in der Abschlussbescheinigung zu dokumentieren.

Mit „Schließung“ ist in diesem Papier der Zeitraum gemeint, in dem keine Einbestellung von Klienten
möglich war, unabhängig davon, ob die Entnahmestelle (z.B. das Labor) komplett geschlossen war, für einen definierten Zeitraum keine Einbestellungen mehr vornahm oder wegen behördlicher Ausgangsbeschränkungen nicht vornehmen konnte.

Bei der Wertung solcher, unverschuldet unterbrochener Abstinenzkontrollen mit Nachweislücken im Rahmen der späteren Fahreignungsbegutachtung ist der Einzelfall und die gesamte Befundlage angemessen zu berücksichtigen. Dem Zeitraum vor der Begutachtung ist hier mehr Bedeutung beizumessen, als länger zurückliegenden Zeiten. Zu einigen häufig in diesem Zusammenhang gestellten Fragen, die Durchführung von Programmen betreffend, soll hier Stellung genommen werden:

Wie ist bei EtG-Kontrollen die vermehrte Verwendung von ethanolhaltigen Desinfektionsmitteln zu beachten?

Bei EtG-Bestimmungen in Haaren sind keine positiven Befunde zu erwarten. Grundsätzlich ist eine Alkoholaufnahme über die Haut als nicht relevant zu erachten. Bei sehr häufigem und intensivem Desinfizieren (z.B. bei Klinikpersonal) in der Zeit zwischen Einbestellung und einer Urinabgabe kann es ggf. in Einzelfällen zu einem positiven Urinbefund kommen. Die Klienten sind hierüber zu befragen und auf die Möglichkeit der Verwendung Isopropanol-haltiger Desinfektionsmittel ohne Ethanolzusatz hinzuweisen.

Können in der aktuellen Lage neue Kontrollprogramme vereinbart werden?

Bei Urinkontrollprogrammen ist darauf hinzuweisen, dass der belegte Abstinenzzeitraum erst beginnen kann, wenn die Entnahmestelle wieder in der Lage ist, Urinproben abzunehmen. Hierbei kann auch berücksichtigt werden, dass über Haaranalysen nach Wiederaufnahme der Probennahmetätigkeit später auch noch rückwirkend die betroffenen Zeiträume abgedeckt werden können.

Wie ist mit Klienten zu verfahren, deren Kontrollzeitraum gerade erst begonnen wurde, bei denen jedoch bisher noch keine oder max. eine Urinkontrolle entnommen werden konnte?

Hat noch keine Urinentnahme stattgefunden, ist die Regelungen in CTU 1 (13) KI 1 (längere Abwesenheit zu Beginn des Programms) sinngemäß anzuwenden und der Beginn des Programms auf den Zeitpunkt nach Beendigung der Schließung zu verschieben. Hat bereits eine Probenentnahme stattgefunden, ist eine Unterbrechung des Programms zu dokumentieren. Bei sehr langen Unterbrechungen von deutlich mehr als 4 Wochen ist es auch in diesen Fällen sinnvoll, dem Klienten einen Neustart des Programms nach Ablauf der Ausnahmesituation zu empfehlen, um die Verwertbarkeit des Abstinenzbelegs bei einer späteren Fahreignungsbegutachtung sicher zu stellen.

Wie ist mit Klienten zu verfahren, deren Kontrollzeitraum in den nächsten Wochen endet und wo es unklar ist, ob die letzte(n) Urinabnahme(n) zeitgerecht stattfinden können?

Diese Kunden sind von den Entnahmestellen aktiv darüber zu informieren, dass ihr Programm voraussichtlich nicht im vereinbarten Zeitraum beendet werden kann. Sie werden darüber aufgeklärt, dass als Alternative eine auch später entnommene Haaranalyse herangezogen werden kann und werden aufgefordert, in den folgenden Wochen keinen Haarschnitt und keine Haarbehandlung vorzunehmen. Das Nachweisfenster der entnommenen Haarprobe sollte bis zum Tag der Schließung der Probenahmestelle (Stichtag) zurückreichen. Der sinnvolle Entnahmezeitpunkt und die erforderliche Haarlänge lassen sich leicht ermitteln:

Faustformel: Entnahme von mind. 1 cm frühestens 1,5 Monate nach Stichtag, von mind. 2 cm nach 2,5 Monaten etc.

Wie ist bei behandeltem Haar zu verfahren?

Colorierte Haarsegmente sollten nicht zur Analyse verwendet werden (Ausnahme polytoxikologisches Screening für die ersten 6 Monate eines einjährigen Programmes). Ist der Klient den Empfehlungen gefolgt und hat ab Stichtag der Information über die vorübergehende Schließung der Entnahmestelle keine weitere Haarbehandlung (z.B. Coloration der Haaransätze) mehr vorgenommen, kann das kopfhautnahe Segment des entnommenen Haarstrangs untersucht werden. Hierzu ist es erforderlich, dass im Laboranalyseauftrag vermerkt ist, zu welchem Zeitpunkt die letzte Behandlung des Haares stattgefunden hat bzw. wieviel cm von der kopfhautnahen Seite der Probe untersucht werden sollen.

Wie ist zu verfahren, wenn – z.B. aufgrund fehlenden Haarwuchses – alternativ keine Haaranalyse vorgenommen werden kann?

Hier kann keine verbindliche Empfehlung für die Durchführung der Kontrollprogramme gegeben werden, da die vollständige Akten- und Befundlage, die erst bei der Eignungsbegutachtung zur Verfügung steht, nicht bekannt ist. Der Einzelfallprüfung auf Nachvollziehbarkeit und Plausibilität der Angaben und Belege im Rahmen der Begutachtung kommt hier besonders Gewicht zu.

Als Orientierungsrahmen kann jedoch gelten:

− Je länger der bereits erfolgte Programmzeitraum bis zum Bekanntwerden der Schließung der Entnahmestelle war, um so höheres Gewicht kommt dem bis dahin belegten Abstinenzzeitraum zu.

− Eine Fortführung des Kontrollprogramms nach Beendigung der Schließung verbunden mit einer Verlängerung des Programms von 12 auf z.B. 14 Monaten mit 7 statt 6 Kontrollen erhöht die Plausibilität, dass die Abstinenz fortbestanden hatte und insbesondere auch weiter aufrechterhalten wurde.

− War das Programm für nur unwesentlich mehr als 6 Monate durchgeführt worden, kann bei Fortführung nach Beendigung der Schließung ein vollständiges 6-monatiges Programm durchgeführt werden.

− Ebenfalls erwogen werden kann bei vor der Schließung bereits länger laufenden Programmen (> 9 Monate) und ggf. längeren Schließungszeiten, die Fortführung als „Auffrischungsprogramm“, also die Durchführung von 3 Urinkontrollen in 4 Monaten, zeitnah zur Fahreignungsbegutachtung.

Wie ist zu verfahren, wenn eine weitere Haarprobe im Anschluss an eine frühere Haarprobe
zu entnehmen ist?

Um einen Abstinenzzeitraum von 1 Jahr zu überblicken sind bei einem BtM-Nachweis 2 Haarproben von je 6 cm Kopfhaar, entnommen im Abstand von 6 Monaten, zu untersuchen, bei einem EtG-Nachweis sogar 4 Haarproben im Abstand von je 3 Monaten. Die Zeitpunkte der Haarentnahmen müssen dabei nicht tagesgenau diesen Zeitabständen entsprechen. Aufgrund des ohnehin nicht exakt zu bestimmenden Wachstums des Haares bis Austritt aus der Kopfhaut (2-3 Wochen nach Stichtag) plus verbleibende Restlänge nach Abschneiden der Probe entsprechen ca. einem Monat Wartezeit bis Beginn der Nachweismöglichkeit zum Stichtag. Hinzu kommt die Wachstumsphase bis ein für die Analyse verwertbares Segment zu entnehmen ist. (0,8 bis 1,2 cm pro Monat) sowie der stets vorhandenen Restmenge an telogenem und katagenem Haar, ist hier ohnehin eine zeitliche Unschärfe gegeben, die es andererseits zulässt, auch Haarproben, die mit einer Zeitlücke von 2-3 Wochen aufeinander folgen noch als nicht unzulässig unterbrochene Reihe von Abstinenzbelegen zu sehen. Es ist bei längeren Unterbrechungen in der Bescheinigung über die Haaranalyse mit aufzunehmen, dass ein rechtzeitig ergangener Auftrag des Kunden zur Haarentnahme aufgrund Corona-bedingter Schließung der Entnahmestelle nur verspätet entgegengenommen werden konnte. Hinsichtlich der Wertung dieser Zeitlücke gilt das oben Gesagte sinngemäß.

Prof. M. Graw Prof. F. Mußhoff Prof. W. Fastenmeier J. Brenner-Hartmann
Präsident DGVM Vizepräsident DGVM Präsident DGVP Federführender StAB

 

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